Über der Breiten Ries in der Vestenkogel (1974m) Ostflanke

Veröffentlicht von am Jan 15, 2014 in Klettertouren, Rax-Schneeberg-Gruppe, Skitouren | 13 Kommentare
Über der Breiten Ries in der Vestenkogel (1974m) Ostflanke

“Ned scho wieder auf’n Schneeberg”. Mit diesen Worten wollte ich Casi’s Vorschlag am Telefon abschmettern – wie sich herausstellen sollte: erfolglos. Zwei harte Fronten prallten erneut vor einem vielversprechenden Wochenende aufeinander. Hartnäckig in den Vorstellungen und zielsicher in der Umsetzung des jeweils eigenen Zieles, kam es in der Vergangenheit öfter zum verbalen Gerangel welches wohl die “beste” und “lohnendste” Tour werden würde. Ein gewohntes Ritual, welches einen liebgewonnen Platz in unserer Freundschaft eingenommen hat. Meist beginnt es Mittwochs oder Donnerstags, manchmal auch schon früher. Dauern tut es für gewöhnlich bis Freitagabend. In Fällen beidseitiger Standhaftigkeit der Marke “Fritz Neugebauer” mochte es auch schon vorgekommen sein, dass wir die Zeit bei der Anreise noch dazu nutzten Überzeugungsarbeit für den eigenen Tourenvorschlag zu leisten. Naturgemäß musste da schnell entschieden werden. Das besaß ganz klare Vorteile. Ich sehe mich dadurch gezwungen, ständig das Für und Wider abzuwägen, mit den im Kopf abgespeicherten Wetter- und Schneeprognosen abzugleichen und meinen Körper nach der Tagesverfassung zu befragen. Mein Bauch bekam letzten Endes die Hauptrolle in unserem Entscheidungsritual.

Dieses Mal war es etwas anders: Der Zeitrahmen war zu knapp, um in die steirischen Berge fahren und ich und meine Vorstellung einen schon lange gehegten Traum in die Tat umzusetzen scheiterten an der Logistik. Schneeberg – here we come! Und überhaupt, ich gebe es offen zu, in der “Broad’n” war ich bisher noch nicht. Die Breite Ries ist das markanteste Ostkar des Schneebergs und wegen seiner Frühjahrabfahrten berühmt, wenn nicht sogar berüchtigt. Schon dutzende Male hab ich vom Gipfel in diese gigantische weiße Halfpipe geblickt, doch drinnen war ich noch nie – aus Respekt einerseits, wenn es nicht gepasst hat und aus Abneigung andererseits. Diesen “Klassiker” wollte ich partout nicht besuchen und um in der Diktion zu bleiben, schon gar nicht “machen”.

(c) Gerald Radinger

Der Lenz ist da! 

(c) Carsten Becker

Unten Frühling, oben Winter – eisig bläst der Wind in der Breiten Ries.

(c) Gerald Radinger

Hier kommen wir der Sache schon näher… 

Ich erinnere mich noch daran, am Parkplatz – oder war es noch beim Anschnallen der Skier am Beginn der Breiten Ries – Casi doch mit der Roten Schütt Flanke zu begeistern. Irgendwie wollte ich nicht in irgendeine Ostflanke und schon gar nicht auf die vom Vestenkogel. “Wenn schon ein Klassiker, dann ein richtiger”, dachte ich mir insgeheim. Vergebens. Wir steuerten zeilsicher immer höher. Die Schneeverhältnisse waren nicht berauschend, doch wir waren zufrieden und lavierten uns zwischen den Schuttfeldern auf den harten aber nicht eisigen Schneestreifen immer höher. Die Sonne grüßte während des Aufstiegs zeitweilen und spendete etwas Wärme bevor sich die nächste Sturmböe den Weg durch die Kleidung suchte. Auf einer Höhe von ca. 1700 Metern waren wir der Meinung genug Spitzkehren gemacht zu haben und sattelten auf Steigeisenmodus um. Noch ein paar Schritte nach oben und da war sie schon, die kleinräumige Ostwand des Vestenkogels. Kurzes Routenstudium und Absprache – wir nehmen die eigentliche Route durch die Ostflanke. Also nach rechts queren und rein ins Vergnügen.

(c) Gerald Radinger

Am Einstieg. Rechts der Mitte ist die untere Rampe zu sehen. 

(c) Gerald Radinger

Kalte Finger, schnittiger Helm, die Stimmung passt. 

(c) Gerald Radinger

Auf geht’s.

Die Verhältnisse waren gut, der Harschdeckel war leicht zu durchstoßen, auch dort wo es eisig erschien. Durch eine feine Schneeauflage war es ein echter Genuß. Casi blieb vorne und bahnte den Weg über die erste Rampe zu einem Felsband. Ein kleiner ausgesetzter Quergang und weiter ging es über die zweite Rampe. Dort trafen wir uns in der Mitte. Ich sollte übernehmen, doch davor wollten wir dem englischen Wort des Jahres 2013 noch unsere Ererbietung erweisen. Die Rampe endete schlussendlich auf einem kleinen Grat zur Rechten. Weiter nach rechts würde bedeuten in eine 15 Meter breite Rinne und in ihr höher zu steigen. Nach links führte eine kleine Rampe in ein von Felsen durchzogenes Gelände, welches uns über den Rücken höher führen würde. Auch hier sollte mein Magen eine entscheidende Stimme bekommen. Carsten tendierte, so wie ich für die kleine Rampe und die gemischte Kletterei.

(c) Carsten Becker

Im Zentrum der Schwerkraft.

(c) Carsten Becker

In der oberen Rampe.

(c) Carsten Becker

Mixed Pickels.

Das Gelände sah einfach aus. Wir wussten noch nicht was auf uns warten würde: Zeugen der Erosion. Brüchiger Fels, der einen Laubbaum im Herbst zu mimen schien und nur darauf wartete, sich bei entsprechender Hilfestellung vollends der Schwerkraft hingeben zu können. Nun, mir wurde bewusst wie ernst eine Genußtour in Windeseile werden konnte – und das kann es immer! Abzusteigen schien mir unvernünftiger als hinauf, somit blieb nur die Flucht nach vorne. Und den Gedanken gerade zu Ende gedacht, fuhr mein Pickel auch schon wieder tiefer. Ich war erleichtert, denn der saß und auch die andere Haue fuhr fest in den Grund. Es war also geschafft und wir standen nach wenigen Metern auf einen seltsam kleinen und sehr schmalen, überwechteten Grat, der nach vorne steil in eine Rinne abfiel. Rechts war über den schmalen Grat die von unten schon bekannte Rinne zu erreichen. Allerdings hätten wir von hier etwas absteigen und die gesamte Rinne queren müssen (etwas, das ich mir nach dieser Passage im Moment nicht vorstellen wollte) und nach links war auch ein wesentlich flacherer Übergang in die linke Rinne möglich. Casi war bereits da. Er hielt seine Hände nach vorne, die Handflächen nach innen im Abstand von 30 cm zueinander und bewegte die Hände mit Nachdruck: “Des war aber net ohne, solche Trümmer hatt’ ich in der Hand”. Wo waren wir hier hingeraten?

(c) Gerald Radinger

Vestenkogel mit Ostflanke

(c) Carsten Becker

“Da geht’s eini” – Luftig am Ausstiegsgrat

(c) Gerald Radinger

G’scheit anschnallen…

Für uns beide kam die Querung nicht in Frage und so machten wir uns auf in die linke Rinne, die sogenannte Möller-Variante. Nach einer ausgedehnten Pause gings an einer Wechte vorbei ans obere Ende der Rinne. Es bedarf noch etwas an umständlichem Hantieren im steilen Gelände und dann gings endlich los. Die Bedingungen waren – so wie im Aufstieg – sehr gut und die Rinne zeigte sich von einer milden Seite. Auch die Breite Ries empfing uns geschmeidig und auch hier konnten wir genüßlich bis zum nördlichen Grafensteig abfahren. Am weiteren Rückweg schwärmten wir von den vorgefundenen Bedingungen, von unserer Tour, dem Wind und natürlich auch von der Breiten Ries. Am Freitag, noch in Wien, konnte ich mir das nicht so richtig vorstellen, dass die Tour erstaunlich lässig werden wird. Der gefühlte Frühling in der Stadt täuscht, auch wenn es wirklich verhältnismäßig wenig Schnee hatte. Schön, dass ich gelernt habe nachzugeben und auch andere Vorschläge anzunehmen, sonst hätten wir diesen extravaganten Tag wohl nie erlebt. Ich glaube das mache ich jetzt öfter – so lange es beim nächsten Mal in die Haller Mauern geht.

Edit Casi:  Nächstes mal darfst du wieder bestimmten wohin wir fahren, Hase! :-*

(c) Gerald Radinger

…und los geht’s

(c) Gerald Radinger

In der “Broad’n” mit Ausblick.

13 Kommentare

  1. bernie
    16. Januar 2014

    Super Tour! Liebe GRüße, Bernd

    Reply
  2. Rainer
    15. Januar 2014

    Wo in den Haller Mauern wäre euer nächstes extravagantes Ziel?

    LG aus Steyr, Rainer

    Reply
    • Gerald Radinger
      16. Januar 2014

      Mal schauen. Soviel sei verraten: Eine Winterbegehung:)
      Liebe Grüße nach Steyr!

      Reply
  3. hedi pichler
    15. Januar 2014

    Super schön anzuschauen
    Liebe Grüße Hedi

    Reply
  4. Elke
    15. Januar 2014

    Jipi! Das sieht super aus. Danke für die tollen Fotos und das Miterleben durch den spannenden Text.
    Allerliebste Grüße

    Reply
  5. wolfgang
    15. Januar 2014

    cool. kenne die ostflange nur vom frühjahr. hab gar nicht dran gedacht, dass das jetzt so gut gehen könnte – bin immer nur am Warten auf den Schnee …
    http://siniweler.twoday.net/stories/1862577/

    Chapeau!

    Reply
    • Gerald Radinger
      15. Januar 2014

      Wir hatten bedenken, dass es eisig sein könnte. Dem war nicht so – auf geht’s :)
      Danke für den Link, Wolfgang. Da sind noch interessante Impressionen der Tour bei sonnigem Wetter zu sehen.
      Berg geil!

      Reply
      • Carsten Becker
        16. Januar 2014

        Aber man muss schon auch dazu sagen, dass ich die Ostflanke nicht unbedingt abfahren hätte wollen. Der Untergrund wechselt doch recht stark von hart zu weich…zum Aufsteigen wars super, zum Abfahren würd ich eher bei Firn schaun.

        lg Casi

        Reply
  6. Erika
    15. Januar 2014

    Hehe, immer wieder interessant zu sehen, wie plötzlich sich eine Tour verändern kann. Glückwunsch zu diesem spannenden Tag!

    Grüße,

    Erika
    ulligunde.com

    Reply
    • Gerald Radinger
      15. Januar 2014

      Hallo Erika, das geht wirklich schnell und wiederum schön, dass es so war:)
      Liebe Grüße aus Wien, Gerald

      Reply

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