Ötztaler Skidurchquerung Teil 2: wie man trotz schlechtem Wetter eine gute Zeit haben kann

Veröffentlicht von am Apr 17, 2017 in Hochtouren, Mehrtagestouren, Ötztaler Alpen, Skitouren | Ein Kommentar
Ötztaler Skidurchquerung Teil 2: wie man trotz schlechtem Wetter eine gute Zeit haben kann

Im zweiten Teil unserer Skirunde durch das Ötztal nimmt euch Klaus Zwirner mit auf die Reise: von der Bella Vista, über Umwege und mit Höhen und Tiefen, zurück nach Vent.

Tag 4 Bella Vista – Weißkugel – Hochjochhospiz

Palla Bianca, das soll der Gipfel des heutigen Tages sein. Das Feuerwerk der letzten Nacht haben wir gut überstanden und für ein Matratzenlager habe ich verhältnismäßig gut geschlafen. Beim Frühstück verabschiedet sich die Gruppe von „Kalle“ aus der deutschen Gruppe, die wir auf der Martin Busch Hütte kennengelernt haben. Kalle hat zum Abschied noch einige lustige Witze für uns parat. Alle lachen. Vor der Hütte werden noch Erinnerungsfotos gemacht. Mit den Worten „Gute Tour“ trennen sich unsere Wege. Wir sind als Sixpack unterwegs: Harry, Hannes und Raphael begleiten uns an diesem Tag. Das Ziel des heutigen Tages ist die 3.738 m hohe Weißkugel an Grenze zu Südtirol. Anschließend sieht der Plan vor, dass wir am Nachmittag die Hochjochhospiz erreichen. Wir lassen die „Schöne Aussicht“ mit vielen lustigen Erinnerungen hinter uns und steigen über die Skipiste des Skigebietes Schnalstal/Kurzras auf. Vor lauter Plauderei verpassen wir die Abzweigung, die uns über das Joch zwischen „Im hinteren Eis“ und „Egg“ auf den Hintereisferner bringen soll. Zurück auf Los, setze dann deinen Weg fort. Die Abfahrt hinab zum Hintereisferner wartet mit super Schneeverhältnissen, gepaart mit einwandfreier Sicht, auf. Der Hintereisferner liegt sanft eingebettet zwischen einigen 3.000ern. Wir packen das Seil aus. Hannes Ski weigert sich seine Stopper einzuziehen. Mit einem Multitool und ein paar geschickten Handgriffen haben Hannes und Casi aber die Situation schnell im Griff und die Bindung hält uns nicht mehr von dem vor uns liegenden Aufstieg ab. Die Pausen, während man am Seil über den Gletscher geht, sind zu sechst deutlich schwieriger zu koordinieren und vor allem muss man häufiger welche einlegen. Klogehen hier, Jackenwechsel dort. Auch die Trinkpausen und die folgenden WC-Pausen verbringt man immer als Gruppe am Seil. Sanft schlängelt sich die Aufstiegsroute über zwei kurze, steilere Passagen den Hintereisferner hinauf zum Hintereisjoch. Die Schneewechte zwischen Matscher Ferner und Hintereisferner wirkt beeindruckend. Ab dem Joch tauchen wir wieder einmal in die Wolkendecke ein. Der Wind nimmt zu und die Sicht wird immer schlechter. Wir steigen dennoch erstmal weiter auf, bis wir uns nach einer kurzen Gruppenbesprechung dazu entschließen umzudrehen. Die vorherrschenden Witterungsverhältnisse zwingen uns zum ersten Mal auf dieser Tour zu einem frühzeitigen Abbruch vor dem Gipfel. Nur wegen der Höhenmeter den Gipfel in Angriff zu nehmen erscheint uns bei diesen Wetterbedingungen einfach nicht richtig. Bauchgefühl. Wir fellen ab und die Abfahrt beginnt auf circa 3.500 m. Der durch den Wind gepresste harte Schnee macht die Abfahrt zu Beginn schwierig. Konzentration ist angesagt. Wieder aus den Wolken und zurück am Hintereisjoch beschließen wir kurz Pause zu machen und das windstille Plätzchen auszunutzen. Komischerweise quält mich den ganzen Tag schon die Lust auf ein richtig gutes Wiener Schnitzel. Geduld, Geduld. In der Pause gibt es erstmal andere Köstlichkeiten: einen heißen Tee, für einige Hauswürsteln, für andere ein Gel, beides gewürzt mit einigen Lachern zum „Drüberstreuen“. Gestärkt gehen wir die weitere Abfahrt über den Hintereisferner an. Die Schneebedingungen sind gut und die Sicht lässt es zu, die Skier etwas laufen zu lassen. Manch einer lässt sie in diesen Passagen zu gut laufen und bezahlt das mit einer filmreifen Sturzeinlage. Zum Glück ist nichts passiert. Weiter gehts! Moränenmaterial, Gletscherbäche, Toteisbereiche und die weißen Schneereste erinnern an die Szenerie einer Mondlandschaft. Bei manchen Bachüberquerungen wird einem schon mulmig, vor allem wenn man bereits das Gletscherwasser durch ein Loch in den Abfahrtsspuren talwärts fließen sieht und das Eis unter den Füßen zu knacken beginnt. An der Abzweigung Arzbödele trennen sich unsere Wege. Harry, Hannes und Raphael und auch unsere deutschen Freunde Ecki, Herbert und das Paar, dessen Namen mir nicht und nicht einfallen will, ihnen allen steht der lange Abstieg nach Vent bevor. Durch die bereits sehr fortgeschrittenen Frühlingstemperaturen erfolgt dieser hauptsächlich zu Fuß. Auch unser Weg zum Hochjoch Hospiz erfolgt mit den Skiern am Rucksack montiert. Nach guten 100 Höhenmetern erreichen wir das äußerst schön gelegene und mit viel Geschichte gespickte Hochjoch Hospiz, welches im Jahr 1872 nach drei Jahren Bauzeit eröffnet wurde. Wieder einmal ein nettes Zimmerlager, moderne Waschräume und warmes Wasser. Es fehlt einem an nichts. Dann die Überraschung: als wir beim Hüttenwirt fragen, was denn heute als Abendessen am Programm steht, gibt es kein Halten mehr. Schnitzel mit Preiselbeeren. Jackpot!! Unverhofft kommt oft und so drückt und das 3-gängige Menü gefolgt von Schnaps in Richtung Bett.

Im Anschluss an diesen Absatz verleihen wir den Hochtouristen-Venter-Runde-Hütten-Award an die Hochjoch Hospiz! Eine nette, urige Hütte. Hier bekommt man alles, was man braucht und nichts, das man nicht braucht. Abgesehen von der ausgezeichneten Verköstigung sorgt das Hüttenteam um Hüttenwirt Thomas Pirpamer für äußerst angenehme Stunden auf der Hütte. Wir sagen Danke und bis zum nächsten Mal!

Tag 5: Hochjochhospiz – Fluchtkogel – Vernagthütte

Augen auf, Fenster auf und Sonne auf. Der Wettergott meint es so wie die letzten Tage auch an diesem Morgen allem Anschein nach gut mit uns. Nach einer Tasse heißer Schokolade, frischem Milchbrot und anderen Leckereien, die das reichhaltige Frühstücksbuffet bietet, ziehen wir die Felle auf und fixieren die Skier am Rucksack. Wir verabschieden uns noch vom netten Hüttenwirt, schultern den Rucksack und starten los. Die Route führt uns an diesem Tag von der Hochjochhospiz (2.413 m) auf den 3.494 m hohen Fluchtkogel und weiter zur Vernagthütte, unserer Unterkunft für die kommende Nacht. Bevor es in gewohnter Manier mit Skiern auf den Füßen weitergeht, sind an diesem Tag die ersten Höhenmeter aufgrund der frühlingshaften Temperaturen zu Fuß zu bewältigen. Es ist nicht zu übersehen, dass der Frühling bereits an die Tür klopft. Wir folgen für die ersten Höhenmetern dem Sommerwanderweg und queren auf einer Höhe von circa 2.650 m hinüber Richtung Kesselwandferner. Der Kesselwandferner hat sich bereits bis oberhalb der Steilstufe zurückgezogen und stimmt mit dem “aktuellen” Kartenmaterial nicht mehr ganz überein. Um auf den Gletscher zu gelangen wählt man den Aufstieg links von der Steilstufe. In der Zwischenzeit drängen immer mehr Wolken von Norden kommend in unsere Richtung. Die Sonnenstrahlen nehmen ab und die Wolkendecke wird dichter. Nach ein paar Spitzkehren gelangen wir schließlich auf den Kesselwandferner. Die Pause wird genutzt um die Harscheisen abzumontieren, einen Schluck zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen. Nach kurzer Rücksprache entschließen wir uns den Kesselwandferner zu dritt am Seil zu überqueren. Casi führte unsere Dreiergruppe an, Erika in der Mitte und ich am Ende der „Schlange“. Das Gehen am Seil hat etwas Meditatives. Das Tempo ist wie immer gut gewählt und so schiebt man einen Ski vor den anderen Ski und dann wiederholt sich das Ganze, meditativ, Schritt für Schritt.  Imposant thront das Brandenburgerhaus unterhalb der Dahmannspitze. Ich denke mir, der Ausblick über den Kesselwandferner und den Gepatschferner ist sicher beeindruckend. Eine Hütte, die ich definitiv auf meiner Liste der zu besuchenden Berghütten habe. Die Hangneigung des Kesselwandferners ist sehr gering und somit ist die Anstrengung in diesem Teil nicht so hoch. Erst im letzten Teil hin zum Oberen Guslarjoch nimmt sowohl die Hangneigung als auch die Anstrengung wieder zu. Bei der Scharte angekommen erhaschen wir einen ersten Blick auf die weitere Abfahrtsroute. In diesem Bereich wird der Schnee wieder härter und so entschließen wir uns die letzten 144 Höhenmeter mit Harscheisen zu gehen. Noch schnell ein Schluck Tee und einen kleinen Happen zwischen die Kiemen und auf geht es. Wieder einmal haben wir etwas Pech mit dem Wetter, denn es wird wieder dichter. Hin und wieder lockert es zwar etwas auf, weiter als bis zum Guslarjoch sehen wir jedoch nie. Nach einem Gipfelfoto nutzen wir ein kurzes Sichtfenster und fahren bis zur Einfahrt des Oberen Guslarjochs ab. Die Verhältnisse sind eher auf der harten Seite, aber die Sicht ist ausreichend. Auch der erste Teil nach dem Oberen Guslarjoch ist hart und der Fahrgenuss hält sich erstmal noch in Grenzen. Sobald es etwas flacher wird, nimmt auch die Schneequalität zu und es gehen sich noch ein paar Schwünge im Pulverschnee aus. Ich merke, dass die Füße schwer werden. Das Problem dabei ist, dass jetzt erst der anstrengende Schnee kommt. Denn wie es im Frühjahr so ist, gibt es natürlich auch hier einen ordentlichen Firn. – Anmerkung des Lektors: nicht der Firn ist anstrengend, deine Schenkel waren einfach schon blau! – Um circa 14:30 erreichen wir die Vernagthütte und beziehen unser 4-Bett-Zimmer. Schon nach kurzer Zeit weichen die Wolken und die Sonne blinzelt hervor. Die nette Bewirtung durch Peter und Renate gepaart mit viel Sonnenschein bescheren uns einen sehr lustigen und unterhaltsamen Nachmittag auf der Vernagthütte. Ein Strammer Max und eine Portion Kaiserschmarren tragen zur heiteren Stimmung und zur Entspannung bei. Wir gehen noch die möglichen Optionen für den morgigen Tag durch. Die Wettervorhersage ist nicht gerade berauschend. Neuschnee, Nebel und Wind. Die Alternative ist der direkte Abstieg nach Rofen und weiter nach Vent. Der einzige Lichtblick ist vorerst nur das Abendessen. Ich verrate nur so viel: Kartoffelcremesuppe, Spaghetti Bolognese und frische Buchteln mit Vanillesauce. Ich glaube mehr gibt es nicht hinzuzufügen. Außer, dass wir auf gutes Wetter für den morgigen Abschluss hoffen. Ohne pessimistisch zu wirken, schauen die Chancen auf die Besteigung der Wildspitze nicht allzu gut aus.

Tag 6: Vernagthütte – Abstieg über Rofen zurück nach Vent

Der letzte Tag präsentiert sich im Winterkleid. Normalerweise freut man sich immer über Neuschnee. An diesem Tag aber nicht. Eigentlich soll die Besteigung der Wildspitze den krönenden Abschluss unserer Skitourenwoche bilden. Der Aufstieg erfolgt über den Vernagtferner hinauf zum Brochkogeljoch, weiter über den Taschachferner zur Wildspitze. Der Abstieg erfolgt über das Mitterkarjoch über den Mitterkarferner zur Breslauer Hütte. Von dort aus geht es weiter über das Skigebiet nach Vent. Der Schneefall hört allmählich auf, die Sicht allerdings ist nicht gerade berauschend und die Wolken hängen dicht und tief über der Vernagthütte. Gletscherspalten, wenig Schnee und schlechte Sicht lassen sich schlecht vereinbaren und so entschließen wir uns aufgrund der Wetterlage erst einmal für ein ausgedehntes Frühstück. Renate und Peter, die im Winter auf der Vernagthütte arbeiten, erzählen uns vom Hüttenalltag und den Skitouren, die sie diesen Winter schon unternommen haben bzw. noch vorhaben. Beide sind sehr sympathisch. Peter prophezeit mit zwinkerndem Auge, dass man auf der Wildspitze bald eine Nummer ziehen und warten muss bis man aufgerufen wird, weil so viel los ist. Oder von der schiefen Neigung des Berges, ausgelöst durch die vielen Menschen auf der Wildspitze. Auch auf dieser Hütte kommt der Humor nicht zu kurz. Der Entschluss steht fest. Casi, Erika und ich entschließen uns nach Vent abzufahren/abzusteigen und uns die Wildspitze für das nächste Mal aufzuheben. Das letzte Mal für diese Woche den Rucksack schultern und schon werden die ersten Höhenmeter bergab auf den Skiern bewältigt. Das Tragen der Ski und kurze Abfahrtspassagen wechseln sich ab. In der Zwischenzeit nimmt der Schneefall wieder deutlich zu. Ab circa 2.200 m heißt es dann Ski am Rucksack fixieren und die Tourenskischuhe auf Gehen umstellen. Der Neuschnee bedeckt die von den Temperaturen bereits aufgeweichte Forststraße Richtung Rofen.  Ab Rofen folgen wir der Asphaltstraße weiter bis zum Auto. Etwas verrückt aber was sein muss, muss sein: unterhalb des Liftes in Vent befindet sich noch etwas Schnee und so werden die letzten 10 Höhenmeter -zumindest von mir – noch mit Ski bewältigt. Der letzte Schwung der Durchquerung findet also direkt im Vent, in unmittelbarer Nähe zum Auto statt.

Die Skitourenwoche hat wieder einmal gezeigt, was man erreichen kann wenn man diese vielen Höhenmeter der gesamten Venter Skitourenrunde in Etappen unterteilt und von Tag zu Tag denkt. Das Wetter, das Wetter während der Tour würde der Hüttenwirt der Hochjoch Hospiz vielleicht sehr treffend so beschreiben: „Es woar ned schlecht, oba guad woars a ned“. Folgende Eindrücke bleiben: bayrischer und wiener Schmäh gepaart mit alpiner Kompetenz und viel Begeisterung für die Berge ergeben eine super Crew. - Anmerkung des Lektors: Hast du die Erika vergessen oder findest du sie nicht lustig? - Wir haben viele nette Leute getroffen, lustige und auch ernsthafte Gespräche geführt, viel über das Skitourengehen gelernt, viele ausgezeichnete Hütten erkundet, gutes Essen in Hülle und Fülle genossen, sind eine Woche ohne Handy ausgekommen, haben die Kraft der Sonne vereinzelt richtig zu spüren bekommen und vor allem gemerkt, dass Lichtschutzfaktor 50 nicht zu wenig ist, auch bei Nebel.

Es war eine wunderbare, schöne und lustige Woche!

Herzlichst

Klaus Zwirner

 

 

Hier geht es zu Teil 1!

Hier geht es zum Bericht von Erika! – Danke für die Fotos!

 

Infos zu Tour:

1 Kommentar

  1. Erika
    19. April 2017

    :D Die Anmerkungen des Lektors sind erstklassig. Mehr davon :D

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