Markus Eckerstorfer, Lawinenforscher

Veröffentlicht von am Dez 23, 2014 in Mich beschäftigt die Natur | Keine Kommentare
Markus Eckerstorfer, Lawinenforscher

Was bist du von Beruf?

65 % Feld-Lawinenforscher, 25 % Fernerkundungs-Lawinenforscher und 10 % Permafrostforscher. Auf jeden Fall 100 % Polarforscher.

Bist du selbständig oder angestellt beschäftigt?

Ich bin bei einer privaten Forschungsfirma (Norut – Northern Research Institute) in Tromsø angestellt. Wenn man will, bin ich dort selbständig beschäftigt, da ich mich selbst um Projektgelder und somit mein Gehalt kümmern muss. In Wirklichkeit machen wir das natürlich zusammen in unserer Arbeitsgruppe.

In wie fern beschäftigst du dich während deiner Arbeit mit der Natur?

Ich bin ja eigentlich physischer Geograph und Geomorphologe. Wir Geographen oder Geomorphologen beschäftigen uns ja mit Prozessen in der Natur und versuchen diese zu quantifizieren, zu überwachen und schlussendlich zu erklären. Als Beispiel hab ich mich in meiner Zeit auf Svalbard mit Wechten beschäftigt. Wechtenbrüche lösen ja bekanntlich Schneebretter aus und davon hab ich in meinem ersten Jahr auf Svalbard viele gesehen. Als braver Geograph hab ich also mal ein paar Jahre alle Wechtenbrüche in der Gegend rund um Longyearbyen („Hauptstadt“ von Svalbard) gezählt und dann herausgefunden, dass die dadurch ausgelösten Schneebretter der dominante Lawinentyp sind. Also galt es dann die Prozesse zu quantifizieren und zu verstehen welche zur Wechtenbildung und zum katastrophalen Bruch führen. Die Ergebnisse hab ich dann zusammen mit Kollegen in einem wissenschaftlichen Journal publiziert und somit hoffentlich einen Beitrag zum besseren Verständnis von Wechten beigetragen.

Wieviel Prozent deiner durchschnittlichen Wochenarbeitszeit verbringst du in der Natur?

Der Prozentsatz ist abhängig von der Jahreszeit. Im Winter 20%, also 1 Tag pro Arbeitswoche. Hinzukommen 3-4 Wochen wo ich durchggehend während Feldkampagnen draußen bin. Im Sommer wöchentlich gesehen viel weniger, jedoch insgesamt wahrscheinlich fast gleich viel. Da verbringe ich halt eher gleich 1 ganze Woche irgendwo im Feld. Leider hat sich der Prozentsatz in den letzten Jahren, seitdem ich in Tromsø wohne, verringert. Es war schon toll auf Svalbard, mitten im Studiengebiet, zu wohnen.

Mensch und Natur – eine vielseitige Beziehung. Wie erlebst du dieses Spannungsfeld in deinem Beruf?

Spontan fallen mir zu diesem Thema zwei sehr unterschiedliche Punkte ein. Zum einen der Einfluss des Menschen auf die Natur im negativen Sinn, leider gut sichtbar wenn man ein paar Jahre auf Svalbard lebt und arbeitet. Die Zerbrechlichkeit der Arktis berührt mich doch sehr. Wenn dort dann norwegische, russische und sogar österreichische Ölfirmen ihre Pläne zu Sondierungsbohrungen in der Barentssee präsentieren, sehe ich doch ziemlich schnell rot.
Zum anderen, und vielleicht mehr auf meinen Beruf bezogen, das doch komplexe Lawinenspiel, dass so viele von uns vor und auf jeder Tour immer wieder spielen. Lawinen sind die einzige Naturgefahr, die wir als Mensch selbst auslösen können, was ja in den meisten der Todesfälle durch Lawinen auch der Fall ist. Und es erwischt Tourengeher quer durch alle Erfahrungs- und Ausbildungsstufen, egal ob sie subjektiv wenig oder viel Risiko eingehen. Eigentlich ist es schon interessant, dass Tourengehen und Skifahren im freien Gelände einfach das Geilste der Welt ist, obwohl das Risiko und die Konsequenzen so groß sein können. Oder vielleicht ist es das gerade deswegen?

Wie bist du Lawinenforscher geworden?

So wie vieles im Leben durch Zufall und Glück. Ich habe in gewisser Weise mit meiner MSc-Arbeit an der Universität Wien den Grundstein gelegt. Da hatte ich die Möglichkeit mich mit Lawinengefahrenstufenkarten zu beschäftigen. Diese Arbeit hat mich dann zum Lawinenwarndienst Tirol geführt, wo ich ein paar Monate ein Praktikum machen durfte. In Tirol lernte ich einen anderen Praktikanten, Stephan Vogel, kennen. Stephan erzählte mir von UNIS und Svalbard und von einem Lawinenprojekt. Also versuchte ich mein Glück und suchte um ein 2 monatiges Praktikum an. Das klappte, aus 2 Monaten Praktikum wurden 10 und schließlich ein PhD der an das Lawinenprojekt anlehnte. Ab den Zeitpunkt konnte ich mich dann Lawinenforscher in Ausbildung nennen, was ich wohl meine gesamte Karriere lang bleiben werde.

Beschreibe uns deinen Arbeitstag?

Grundsätzlich beseht mein normaler Bürotag aus viel lesen, Daten eingeben, ordnen, verstehen, statistisch aufbereiten und visualisieren, wieder verstehen, alles wieder umändern, sich furchtbar über Excel ärgern und schließlich zu einem Artikel zusammenschweißen. Dazwischen schau ich Skivideos auf Youtube und träume von den Feldtagen.
Normale Feldtage im Schnee sind streng genommen bezahltes Skifahren und Löcher im Schnee graben. Es ist so lässig wie es klingt.

Was magst du an deinem Beruf und was nicht?

Siehe vorhergehende Frage, das bezahlte Skifahren. Ich bin mir schon bewusst, dass ich glücklicherweise mein Hobby und mein persönliches Interesse zum Beruf machen konnte. Und ich finde es recht lässig, dass ich ziemlich freie Hand habe mit der Auswahl meiner Arbeitsfelder, solang ich jemanden finde der mir meine Projektideen finanziert. Dieses ewige Ansuchen nach Projektgeldern, das lange Warten und die Enttäuschung wenn ein Projekt nicht durchgeht, was leider viel zu oft der Fall ist, sind die Kehrseiten. Das stresst eigentlich schon und verschlingt viel Zeit die man spannender nützen könnte.

Welche Voraussetzungen braucht man, um deinen Beruf auszuüben?

Siehe auch die vorige Frage. Man braucht wahrscheinlich überdurchschnittliches, leicht nerdhaftes Interesse an einem Thema und darf sich nicht scheuen ein absoluter Fachidiot zu werden. Ich glaube, man muss auch gerne selbständig arbeiten können und wollen, und Lust am Lesen und Schreiben haben. Und ja, man muss der beste Skifahrer am Berg sein.

Bist du auch privat viel in den Bergen. Wenn ja, wieviele Tage?

Streng genommen hab ich in den letzten Jahren ja in den Bergen gewohnt. Aktiv war ich rund 80 – 90 Tage im Winter, meist auf Ski, manchmal auf einem Snowmobile und viel zu selten, da zu feig, auf 4 Zacken im steilen Eis. Im Sommer bin ich eigentlich nur auf einem viel zu teuren Bike rund 50 – 60 Tage unterwegs. Hin und wieder mal mit Händen und Füssen am Fels, wenn ich gezwungen werde, und leider viel zu selten und zu wackelig am Surfbrett.

Markus Eckerstorfer (32) ist Lawinenforscher bei NORUT in Tromsö/Norwegen.

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“Grundsätzlich beseht mein normaler Bürotag aus viel lesen, Daten eingeben, ordnen, verstehen, statistisch aufbereiten und visualisieren, wieder verstehen, alles wieder umändern, sich furchtbar über Excel ärgern und schließlich zu einem Artikel zusammenschweißen.” Foto (c) Markus Eckerstorfer

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Markus Eckerstorfer beim Graben eines Lochs im Rahmen seiner Dissertation in Svalbard. Foto (c) Stephan Vogel

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“Normale Feldtage im Schnee sind streng genommen bezahltes Skifahren und Löcher im Schnee graben. Es ist so lässig wie es klingt.” Foto (c) Markus Eckerstorfer

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